Die Losgelassenheit des Pferdes sehe ich als eine wichtige Voraussetzung an. Ein verspanntes Pferd, kann sich meiner Erfahrung nach, nicht in einem gleichmäßigen Takt unter elastischer Wirkung von all seinen Gelenken bewegen. Erst nachdem diese Verspannungen beseitigt wurden, kann ein gleichmäßiger Takt entstehen. Takt ist besonders in den höheren Lektionen von Bedeutung, denn eine regelmäßige Piaffe oder Passage etc. sieht auch nur dann gelungen aus, wenn sie gleichmäßig, also im Takt geritten wird, sonst erscheint sie hinkend. Ist diese Grundlage nicht korrekt ausgebildet und gefestigt worden, wird man sich schnell in einer Sackgasse befinden, da dieser Fehler meiner Ansicht nach nur durch die Aufarbeitung der fehlenden Grundlagen zu korrigieren ist. Man befindet sich quasi wieder am Anfang der Ausbildung. Ein Pferd, welches sich ohne Zwang, sondern eher aufgrund einer Aufforderung oder Erinnerung freiwillig vorwärts bewegen will, wird sich deutlich leichter und feiner bewegen. Eine stressfreie Aura/ Umgebung ist hierbei sehr hilfreich.
Die Anlehnung sollte stets eine feine, dem Ausbildungsstand und dem geforderten Einsatz angepasse sein, die so weich ist, dass diese sich
bis in die letzen Gelenke des Pferdekörpers wiederspiegelt. Sie ist wie eine Verbindung zum gesamten Pferd, die niemals hart sein sollte. Ebenso wenig sollte die Anlehnung auf die Bewegungen des
Pferdes nicht hinderlich einwirken. Bitte immer versuchen, das Pferd vor einem zu behalten, um unnötige Probleme weitestgehend zu verhindern.
Erst, wenn ein Pferd die Hilfen verstanden hat und diese folglich annimmt, wird die Grundlage für die weiteren Lektionen und zur Unterstützung der Selbsthaltung etc. gelegt sein. Daher ist die
erfolgreiche gegenseitige Kommunikation von enormer Bedeutung.
Dies kann man mit Hilfe der Bodenarbeit hervorragend vorbereiten. Im Kern geht es um die Findung eines ausgeglichenen Gleichgewichts von Pferd und Reiter, welche gemeinsam ihren Schwerpunkt so verlagern können, dass alle Bewegungen ungezwungen, in Selbsthaltung und guter Balance, ausgeführt werden können. Eigentlich muss man dann während dieser Grundlagenarbeit nur noch geduldig abwarten, bis das Pferd die notwendige Kraft und Reife entwickelt hat, und keine Gelenke mehr auf Widerstand stoßen!
Unterstützend kann hier das pferdegerechte Geraderichten sinnvoll sein, um die einzelnen Gelenke tragfähiger und biegsamer zu machen. Der
losgelassen schwingende Rücken sollte als Prüfstein fortwährend überprüft werden.
Ich finde den Punkt Balance/Selbsthaltung sehr bedeutend. Denn ohne Balance kann man keine ungezwungenen Bewegungen ausführen.
Die Durchlässigkeit ist ein wichtiger Prüfstein der Ausbildung. Ich erwarte diese bei einem jungen Pferd aufgrund der fehlenden Kraft zumindestens so weit, dass der Rücken losgelassen schwingen kann.
Bei einem fertig ausgebildeten Pferd sollte die Durchlässigkeit im gesamten Körper, bis in das letzte Gelenk abrufbar sein.
Das Thema Schwung, ist meiner Ansicht nach recht weit hinten angesiedelt. Der wirkliche Schwung kann nur durch die Hergabe der zureichend muskulär unterstützten Gelenke erreicht werden. Das Pferd
muss also erst die notwendige Tragkraft in der Hinterhand erlangen, die sich in einem freiwillig vorwärts gehen wollenden Pferd wiederspiegelt. Eilige Bewegungen sind unerwünscht. Das Thema
Versammlung verbinde ich hier mit der gesteigerten Fähigkeit der Hinterhand in der gesamten Hanke Last aufzunehmen und dadurch vermehrt unter seinen Körperschwerpunkt, ohne Verlust der Kadenz, treten
zu können.
"Was ist Kadenz? Kadenz ist Takt und Energie, zusammen mit einer größeren Schwebephase
und einem Muskeltonus, der durch die vorausgehenden geschmeidigmachenden Übungen erworden wurde. Das Resultat davon ist, dass das Pferd runder und aufmerksamer
bleibt und besser von einer Lektion in die andere und von einer Übung zur anderen übergehen kann und anfängt sich zu versammeln.
Ein vollständiges Studium des Taktes der natürlichen Gangarten jedes Pferdes wenn es entspannt und in Freiheit geht, wird eine genaue Vorstellung von dem Takt vermitteln, in dem man in allen
vorbereitenden Übungen arbeiten muss, um die geeignete Kadenz für jedes Pferd zu erhalten. Manche Pferde bewegen sich langsamer als andere und um ein Pferd in wahrhaft guter Versammlung zu haben,
muss man es in seiner eigenen Kadenz reiten."
"Ein so gerittenes Pferd, braucht man z.B. auf Grundlage einer gut gerittenen Versammlung für eine Verstärkung nur noch im Rahmen so erweitert werden, dass es die richtige Haltung zur Verstärkung der Tempies einnehmen kann und ihm folglich erlauben sich so bewegen zu dürfen. Ggf. kann man etwas Impulsion hinzufügen, um etwas mehr an Ausdruck zu erhalten.
Die Arbeit des Pferdes richtet sich individuell nach seinem Gebäude, Typus und Temperament. So könnte man z.B. Pferde mit Neigung zu gestreckteren und schwebenderen Bewegungen durch Übergänge im verkürzten Tempo kräftigen, wohingegen Pferde mit eher erhabenen und zu kurzen Bewegungen bei Bedarf durch Übergänge in gestreckteren Gangarten zu etwas mehr Frische angehalten werden könnten .
Ich wünsche mir eine Art Perfektion, in der die Unsichtbarkeit der Hilfengebung beim gut eingespielten Reiter/Pferd Paar an Bedeutung gewinnt. Dies kann man durch "geistige Kommunikation" verfeinern. Wenn der Reiter sich die Aufgabe im Geiste sehr genau vorstellt, wie sie richtig ausgeführt wird, wird er sich dementsprechend immer besser ausbalancieren, und das sensible Pferd wird dies spüren. Dies zu üben und zu vervollkommnen sehe ich als ein wertvolles Ziel an. "
Quelle: „Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1"
Hans von Heydebreck drückte sich bezüglich des gut gerittenen Pferdes folgendermaßen aus:
"Zusammenfassend läßt sich das Gesamtbild des gutgerittenen Pferdes folgendermaßen kennzeichnen:
Sicher und leicht auf- und abfußend, bewegt es sich in reiner Fußfolge, aus eigenem Antrieb eifrig vorwärtsstrebend und doch ohne jede Unruhe und Eile, auf den angewiesenen Hufschlaglinien willig und
zwanglos dahin. Der Hals wölbt sich vor dem Reiter in gleichmäßigem Bogen nach oben, der Kopf ist bei hergegebenem Genick so weit herangestellt, daß die Stirnlinie etwas vor der Senkrechten steht.
Die Ohren bilden den höchsten Punkt, sind weder nach vorn gespitzt, noch angelegt, sondern geben durch ihre natürliche Haltung die Willigkeit des Pferdes und seine Achtsamkeit auf den Reiter zu
erkennen. Das Auge ist vertrauensvoll nach vorn auf den abzuschreitenden Weg gelenkt, das Maul geschlossen, und doch deutet leichter Schaum darauf hin, daß das Pferd am Gebiß kaut, ohne daß man
irgendwelches Knirschen hört. Die Zügel befinden sich, ohne Falten zu schlagen, in gleichmäßiger und steter Anlehnung, man sieht aber am Federn der Kandarenanzüge, daß sie nur ganz leicht anstehen
und durch vertrauensvolles Herantreten des Pferdes an das Gebiß in einer gewissen Spannung erhalten werden. Bei vorübergehendem Nachgeben der Hand behält das Pferd Haltung und taktmäßigen Gang bei
und zeigt damit, daß es sich nicht auf den Zügel stützt, sondern selbst trägt. Gibt der Reiter vermehrt nach oder verlängert er den Zügel, so streckt es Kopf und Hals vertrauensvoll nach vorn, ohne
nach unten zu bohren oder nach oben zu schlagen. Es sucht gleichsam den Zügel.
Unmerkliches, leichtes Schließen der Hand bringt das Pferd in eine kürzere Gangart oder zum Halten, wobei es in voller Haltung, auf allen vier Beinen die Last tragend, unbeweglich stillsteht. Auf
leichten Schenkeldruck nimmt es sofort ohne Zögern die verlangte Gangart an. Alle Bewegungen sind völlig frei von Zwang und erfolgen offensichtlich aus dem in leichten Schwingungen federnden Rücken.
Der ruhige, gefällige Sitz des Reiters gibt Zeugnis davon, wie wohl er sich auf dem Pferde fühlt und wie bequem es geht. Und doch ist alles im Schwung! Jeder Tritt und jeder Sprung erfolgt aus den
sich in ihren oberen Gelenken willig biegenden und kraftvoll abfußenden Hinterbeinen, die den Pferdekörper je nach dem Versammlungsgrade und der Stärke der Gangart entweder kraftvoll vorwärts
schieben oder ihn vermehrt stützen. Dabei entziehen sie sich in den freieren Gängen trotzdem nicht ihrer Aufgabe, die Vorhand zu entlasten, und behalten andererseits in den versammelten Gängen, in
denen sie in verstärkter Biegung ihre Schubkraft zugunsten ihrer Tragkraft einschränken, doch ihren kräftigen Abschub. Sie befähigen dadurch die Vorderbeine zu leichtem Abfußen und gestatten ihnen,
entweder in freiem Vortritt nach vorwärts Raum zu gewinnen, oder unter Einschränkung der raumgreifenden Vorwärtsbewegung aus der Schulter heraus bei beinahe waagerecht erhobenem Vorarm erhabener zu
treten und vom Boden, ihn scheinbar nur leicht berührend, elastisch federnd abzufußen.
Von der Seite gesehen hat man den Eindruck, als ob der Reiter in der Mitte des Pferdekörpers sitzt, indem er ebensoviel vom Pferde vor wie hinter sich hat. Von den Ohren bis zum leicht und locker
getragenen Schweif verläuft die obere Linie des Pferdes in einem leicht geschwungenen, wellenförmigen Bogen; nirgends ist eine scharfe Ecke. Der Widerrist steht etwas höher als der höchste Teil der
Kruppe.
Von vorn gesehen fußt niemals, außer in den Seitengängen, ein Hinterfuß seitlich des Hufschlags der Vorderfüße. Der Pferdekopf steht senkrecht, so daß beide Ohren sich in gleicher Höhe befinden, der
Hals ist in Verlängerung des Pferdekörpers gerade nach vorn gerichtet, wobei beim Reiten mit Stellung innere Stirnseite, innere Schulter und innere Hüfte etwa in einer Linie stehen. Die Schultern des
Reiters ragen auf beiden Seiten des Pferdehalses gleichmäßig hervor, sein Kopf erscheint mitten über den Pferdeohren.
Pferd und Reiter sind scheinbar miteinander verschmolzen, sie bilden gleichsam ein fein ausbalanciertes Ganzes, ein lebendes Kunstwerk, das durch seine gefällige äußere Form und seine anmutigen, mit
der Genauigkeit eines Uhrwerkes geregelten und doch kraftvollen Bewegungen schön wirkt."
( Quelle: Hans von Heydebreck, Die deutsche Dressurprüfung, 1928)
Wichtige Übungen hierfür erachte ich z.B. die Schulparade, das Schulterherein, die Schaukel, Volten und Enge Wendungen, Übergänge etc.